Gabriele Seitz - Zauber des Vergänglichen - ein Buch, das erfreut und nachdenklich macht
Die Fotografin Gabriele Seitz hat ein Buch mit schwarz-weißen Bildern geschaffen, das wundervoll ist – ja nicht übertrieben – der Wunder voll. Es macht still und nachdenklich, weil es von einer großen Liebe zeugt – von der Liebe zur Schöpfung, die sich ausprägt im Schauen auf den Menschen und parallel dazu auf eine ähnliche Gattung: auf Bäume.
Mensch und Baum sind sich oft sehr ähnlich. Sie werden geboren und gepflanzt. Sie haben im Wachsen unter der Sonne, Regen und Wind, in Freude und Schmerz, im Schauen und Hoffen ein fast gleiches Schicksal. Sie gehen in ein Ziel: Aus der Tiefe der Erde in Fruchtbarkeit und Erfolg, oder das Gegenteil – eines Tages in den Tod.
Die Fotografin hat mit feinem Gespür viele menschliche Gesichter erwählt, alle geprägt, stark und voller Ausdruck aus persönlicher Erfahrung in der Reife des Lebens, gezeichnet von einmaligen Schicksalswegen. Die Gesichter betonen eindrucksvoll die Würde des Alters. Bei den Menschen sprechen vor allem die Augen. Sie rufen Freude aus und tiefgründige Überzeugungen, Trauer und fragende Zweifel. Das schlohweiße Haar bei den Porträts ist offenbar ein „Markenzeichen“.
Und so ist es auch mit den Bäumen aus unterschiedlichen Ländern und Regionen. Diese bewundernswerten Gebilde der Natur, voll wachsendem Leben, oder mit uralten Rinden, oft geknickt und zerfurcht, meist spürbar mit einem „Zauber des Vergänglichen“. So lautet auch der Titel des Buches. Menschenschicksale und Baum-Schönheiten. Beides sind austauschbare Wahrheiten, Geheimnisse des Lebens. Und damit wird noch ein drittes Element in dieser besonderen Edition angerührt. Die Fotografin hat den Bildern neben eigenen Worten Texte bekannter Autoren beigefügt. Sie sprechen aus der Tiefe ihres Herzens und aus ihrem ganz persönlichen Erleben und Vorstellungen, ohne Aufdringlichkeit, aber mit Anmut und mit Wahrheit. So etwa Rose Ausländer mit einem Wort über die Bäume:
„Immer sind es Bäume/die mich verzaubern/ Aus ihrem Wurzelwerk schöpfe ich/die Kraft für mein Lied“
In diesem Buch werden sprechende, alte Gesichter vieler verschiedener Menschen den traumhaft schönen Bäumen mit den grandios entfalteten Formen ihres Lebens – oft über Jahrhunderte hin entstanden – gegenüber gestellt.
Wer sich die Zeit nimmt, in diesem liebevoll gestalteten Buch zu schauen und zu lesen, wird erfüllt vom „Zauber der vergänglichen Schöpfung“, aber auch von ihrer Schönheit. Sie zu erhalten ist eine große Aufgabe für den Menschen unserer Gegenwart – diese vielschichtigen, optimistischen Bilder zwischen Leben und Tod machen das Herz froh und schaffen zugleich Mut zu neuem Anfang.
Drutmar Cremer
Verlagsleiter der Abtei Maria Laach, Autor mehrerer Bücher
Gabriele Seitz „Zauber des Vergänglichen“ – eine Rezension
Ein Bildband, alle Aufnahmen schwarz-weiß, von Menschen und Bäumen, liegt vor; begleitet von sorgsam ausgewählten Texten. „Nur“ schwarz-weiß, wo wir doch so schön bunt gewöhnt sind?!
Dafür ist es eine Aufforderung zum Sehen üben, Hineinsehen in diese alten Gesichter, auch bekannte Gesichter sind darunter, Künstler und „normale“ Bürger von Radebeul, Dresden und Umgebung. Die Blicke gleiten lassen über den Stamm eines alten Baumes bis in den Wipfel oder auch nur über ein Stück seiner Rinde, bis wir die Hand darauf legen möchten, mit den Fingern an den Schrunden entlangtasten, die mächtigen Wurzeln mit den Augen verfolgen, wie sie sich über Hindernisse hinweg ins harte Erdreich krallen. Welche Energie, welcher Lebenswille, so viel Widerstehen! Und so eben auch der Blick in die alten Gesichter, - voller Falten und keine davon überschminkt, sind es doch Lebenslinien! Krähenfüße und manchmal Runzel an Runzel bei Mann und Frau: soll das schön sein? Oh ja, anrührend schön von innen heraus; die Zuversicht, das Ja zu dem, was war und angenommen werden müsste und das Gespannt- sein darauf, was noch kommt; die Augen sprechen es aus; sprechen auch von beglückenden Begegnungen und Erfahrungen.
Das ist die Wirkung des „Zauber des Vergänglichen“ auf mich: Sich ermutigen lassen zum Ja-sagen, zu dem, was ist und dem, was kommt im Licht und Schatten des Alterns, unserem Eingebunden-sein in alles Vergehen. Was bleibt uns dann alles erspart an eitlem Eifer, noch Schritt halten zu können mit jugendlicher Schönheit!
Die Verquickung der Blicke in unser Altersgesicht mit denen auf alte und uralte Bäume erweist sich als ein wunderbarer „Trick“: so gelingt die Ein-Sicht in die Würde eines Menschenlebens, wird das Ja-sagen leicht und bleibt die Erwartung in uns auf noch Kommendes. Gabriele Seitz stellt es uns vor Augen mit ihrer Kunst des Fotografierens. Und sie stellt eben auch schönste Lyrik dazwischen, sorgsam ausgewählt; liebenswerte vertraute Verse – „ …und dann meine Seele, sei weit, sei weit …“ und wenig Bekanntes, auch gutes Eigenes. Mit Widerhaken oft „ … Wie viele bäume werden/gefällt, wie viele wurzeln/gerodet/in uns“ Reiner Kunze
Der „Zauber des Vergänglichen“ kann uns umfangen. Der Autorin sei Dank.
Ingrid Lewek, Pastorin aus Radebeul