Rede zur Ausstellung "Kind und Farbe"

Kindsein und Kreativität

Fotografie von Gabriele Seitz und Malerei von Klaus Liebscher im Kulturbahnhof Radebeul Ost

Die Ausstellung "Kind und Farbe" im Kulturbahnhof Radebeul Ost vereint Fotografie und Malerei in einem stimmigen Gesamtbild. Trotzdem beschreiten Gabriele Seitz und Klaus Liebscher einen Grenzweg: Die Fotografin Gabriele Seitz erzählt mit der Kamera ihre Eindrücke vom Leben in einem Heim für behinderte Kinder und Jugendliche in Dresden. Erste Erfahrungen auf diesem Gebiet machte sie mit erwachsenen Menschen in Wohngruppen der Dreikönigskirche. Der Maler-Philosoph Klaus Liebscher aus Radebeul stellt das Kind im Künstler in seiner ganzen Kindhaftigkeit und kreativen Naivität vor. Er favorisiert das Informel, eine freie, philosophisch gefärbte Betrachtung innerer Prozesse.

Gabriele Seitz betont in ihren Schwarz-Weiß-Fotografien (analog mit der alten Canon aufgenommen und herkömmlich entwickelt) die alltägliche Normalität des Lebens der behinderten Kinder zwischen Spiel und Behandlung. Die feinen und sensiblen Gesichtszüge der Mädchen und Jungen, ihre oft fröhlich-ausgelassene Mimik, überzeugen den Betrachter. Das ist durchaus ein Genuss: Gabriele Seitz hat die kostbaren Augenblicke erspürt, in denen sich die Kinder unbeobachtet fühlen. Für die Künstlerin erinnert die jeweilige Behinderung der Kinder an unsere eigene Unzulänglichkeit, denn "kein Mensch ist vollkommen" (G.S.). Sie ist eine besondere Stimme im Chor der sächsischen Fotografie. Ihr unprätentiöser, poetischer Realismus nimmt die Welt von ihrer positiven Seite. Oft umdunkelt, hüllen die Bilder den Menschen in ein sanftes Licht. Eine scharfe Beobachtung und ein Sinn für das Menschliche führen zu eindringlichen, anteilnehmenden Bildaussagen. Das Humane steht im Mittelpunkt, seine Bewahrung und Förderung.

Klaus Liebscher malt während er philosophiert und philosophiert während er malt. In der Auswahl seiner Arbeiten überwiegen die spontanen, das Chaos zelebrierenden Farbaufträge. Tupfer, Striche, Spritzer und Kleckse dominieren. (Die Nähe zu Seitz Fotografien wird offensichtlich). Seine Bilder ergeben ein eigenes Universum. Liebscher sagte zur Vernissage sinngemäß: "Ein kreativer Augenblick ist wie eine Stunde Sonnenschein". Die Verbindung zum Kosmos wird in allen seinen Bildern sichtbar. Dabei sind sie kein pures inneres Abbild, sondern oft von außen angeregt. Liebscher ist ein Magier des Pinsels, der die Regeln der Natur für sich nutzt und das Wundersame beschwört wie ein Höhlenmaler der Parietalkunst vor 40 Tausend Jahren. Seine Malerei verbindet ihn mit dem Universum, das über Material und Gestaltung (Materie und Geist) plötzlich auf dem Blatt in einer subtilen Form erscheint, die man Kunst nennen kann oder was auch immer. Das Resultat der Arbeit des Künstlers ist ähnlich kreativ wie die natürliche Bildung eines Libellenflügels, hundertfach von einem Geist durchdacht für ein Nichts. Morgen ist er schon Staub und man fragt sich: Warum dieser Aufwand, den die Natur hier und der Künstler da geleistet haben? Wer weiß?

Bis 28. September 2018. Stadtbibliothek Radebeul-Ost im Kulturbahnhof, Sidonienstraße 1c - geöffnet: Mo-Fr 9-19 Uhr, Do geschlossen