Meine sehr verehrten Damen und Herren,

die Liebe steckt im Detail und lässt sich vermitteln, davon ist Gabriele Seitz überzeugt, die dem Zauber der Schwarzweiß- Fotografie erlegen ist. Man kann sich in ihrem Werk begegnen, miteinander kommunizieren, berührt werden. Alles, was Menschen gefühlsmäßig aufweicht, macht sie angreifbarer, aber auch offener und stärker. Das weiß Gabriele Seitz. Ihre Fotoarbeiten „Poesie der Kontraste” sind eine Liebeserklärung an das Leben und die Träume der Menschen.Gabriele Seitz trägt in ihrer Stille einen mitreißenden, revolutionären Geist in sich, der Grenzen sprengt und Klischees hinterfragt, der nach Veränderung drängt, ohne Wurzeln zu ignorieren. Sie ist neugierig genug, sich immer wieder überraschen zu lassen.

So bleibt sie geistig und sinnlich in Bewegung. Sie bekennt sich zur Tradition des lesbaren Bilder-Machens. Ihre Fotografien sind gestohlene Augenblicke, dem Fluss des Lebens und den Landschaften des Lebens entrissen. Die Fotografin tritt aus ihren Aufnahmen heraus und umarmt das Wunder Leben. Wenn sie auf den Auslöser drückt, wird offenbar, dass sie genau so die Komposition erdachte. Doch über das Sichtbare hinaus bleibt ein Geheimnis bestehen und das macht die Bilder für den Betrachter so kostbar, so poesievoll. Sie beherrscht die Poesie des Einfachen, die sich mit Geschichten verbindet.

Die für uns sichtbare Fotoserie ist von einer beeindruckenden Symbolkraft geprägt, einer schöpferischen Vision, die Max Beckmann so gut beschreiben konnte:

„Nichts hasse ich so wie Sentimentalität. Je stärker und intensiver mein Wille wird, die unsagbaren Dinge des Lebens festzuhalten, je schwerer und tiefer die Erschütterung über unser Dasein in mir brennt, um so verschlossener wird mein Mund, um so kälter mein Wille, dieses schaurig zuckende Monstrum von Vitalität zu packen und glasklar in scharfe Linien und Flächen einzusperren. Aus einer gedankenlosen Imitation des Sichtbaren, aus einer schwächlich artistischen Entartung in leerer Dekoration und aus einer falschen und sentimentalen Geschwulstmystik heraus werden wir hoffentlich zu der transzendenten Sachlichkeit kommen, die aus einer tiefen Liebe zur Natur und den Menschen hervorgehen kann.”

Wirklichkeit und Menschlichkeit, Zeitlichkeit und Poesie verbinden sich mit dem unbestechlichen Blick von Gabriele Seitz. Die dargestellten Personen tauchen aus der Schwärze des Nichts, aus dem noch alles werden kann, ins Licht, das die Sehnsucht nach Beständigkeit auslotet wie ein unhaltbares Versprechen. Kein schöpferischer Übermut führt der Fotografin die Hand und blendet ihr Auge, sondern ein nahezu intuitives Gefühl für die Stimmigkeit von erzählerischen Bildausschnitten.

Man spürt das intensive Glück einer Erkenntnis, eine gewisse Komplizenschaft. Gabriele Seitz ist eine Menschensucherin. Sie erfasst das Unsichtbare, das die Wirklichkeit umstellt. Sie zeigt die Begegnung zweier Menschen, die schweigende Annäherung, eine Vertrautheit, eine Nähe, in der sämtliche angelernten Masken abfallen. Den Augenblick so lange auszukosten, bis er zu einer über sich selbst hinausweisenden Wahrheit wird, ist das nicht einer der Horizonte der Weisheit? Oder ist es die Kunst des Fotografierens? Es ist die Kunst von Gabriele Seitz. Mit ihrem Blick werden die Fremden zu Vertrauten, berührt das Vergängliche die Ewigkeit. Mit ihren Fotografien im Kopf ist man niemals mehr allein, sondern fühlt sich eingeschlossen in den immerwährenden Kreislauf von Werden, Wachsen und Vergehen.

Herausfordernd das Lächeln, dem Leben abgetrotzte Freude. Ein Lied der Seele.

Das Gesetz, das für Malerei, Plastik und Dichtung zutrifft, bewahrheitet sich letztlich auch für die Fotografie: das Sujet an sich besitzt noch keinen künstlerischen Wert, auch nicht die lauterste Wahrheit und die sich aufopfernde Aufrichtigkeit, wenn die Persönlichkeit nicht Form gibt, die über den Tag hinaus Geltung hat. Danke Gabriele Seitz!

Es entlädt sich die Energie einer Lebensnähe, in der die Welt zusammenrückt, damit die Menschen zusammenrücken in der Gegenwart ihrer Fotoarbeiten. Sie erzählt das Unerzählbare in einem Kaleidoskop von Augenblicken, einer Ansammlung von Fragmenten. Mit Bedacht und einer zärtlich ausgeprägten bildnerischen Leidenschaft nähert sich Gabriele Seitz ihrer Bildgeschichte. Sie durchmisst bedächtig sich vortastend fremdes Leben. Sie ist eine Frau des Auges, eine scharfe Beobachterin. Sie beherrscht die Alchemie des Wesentlichen, meidet alles Laute und bleibt damit wahrhaftig dem authentischen Leben auf der Spur, meidet jeglichen Voyeurismus, stellt nicht bloß und lässt den Personen das Geheimnis ihres eigenen Lebens. Man spürt, dass sie sich gerne von der Aura eines Menschen mitreißen lässt.

Die gelernte Zahnarzthelferin wurde 1951 in Furth im Wald geboren. Sie studierte Wirtschaftswissenschaften, Diplom- und Religionspädagogik und kam kurz nach der politischen Wende nach Dresden. Sie arbeitet ehrenamtlich im Radebeuler Kunstverein und im Ausländerrat Dresden.

Seit 1997 begleitet Gabriele Seitz fotografisch die interkulturellen Tage in Dresden mit der Kamera. Einfühlsam, erstaunt und neugierig geht sie auf die Menschen zu. Mit ihren Aufnahmen zeigt sie Schönheit, mit der man Leben definieren kann.

Gabriele Seitz lernte einen stolzen, afrikanischen Musiker kennen, einen, der die traditionelle rhythmische Musik ekstatisch interpretiert und damit den Geist seiner Ahnen wieder lebendig macht. Ein Schamane, der sich dessen bewusst ist, dass Musik die Seele eines Menschen zum Klingen bringen kann, so dass Gegensätze eine tanzende Verbindung eingehen können und sich in positive, das Leben neu gestaltende Energie auflösen.

Das war es eigentlich, was Gabriele Seitz dazu inspirierte, eine serielle Abfolge von Fotografien zu entwickeln. Ohne ablenkende Details konzentrierte sie sich in einem anonymen Raum auf Körpersprache, mit der die Geschichte einer ungewöhnlichen Liebe zwischen einem Angolaner und einer Perserin erzählt wird.

Die Poesie der Liebe macht es möglich, Grenzen zu überwinden. Gabriele Seitz modelliert mit Licht, setzt in Szene, folgt der Spur einer eigengesetzlichen Dramaturgie, die sie bestimmt und sich doch mitreißen lässt. In einer sinnlichen Umarmung, in einem Händedruck, in einem Geben und Nehmen fließen zwei Welten zusammen.

Der Körper avanciert zum Zeichen, zur Metapher. Dies ist die Geschichte einer Begegnung, einer Vision, unserer möglichen Zukunft.

Danke Gabriele Seitz!

Karin Weber
Diplom-Kunstwissenschaftlerin und Galeristin