Meine sehr verehrten Damen und Herren,
liebe Kunstfreunde, liebe Nazanin Zandi und liebe Gabriele Seitz!

Ich begrüße Sie sehr herzlich zur Ausstellung „Poesie der Kontraste“ in der Oberen Orangerie im Barockgarten Großsedlitz, wo Natur und Kunst eine enge Verbindung eingehen, heute mit Malerei von Nazanin Zandi und Fotografie von Gabriele Seitz. Mit poetischen Zeilen von Gabriele Seitz möchte ich Sie auf die Bilder der beiden Künstlerinnen einstimmen.

„Begegnung/zulassen/von Mensch zu Mensch/Brücken bauen von Kultur zu Kultur/Offen sein/für Neues, noch nie Gekanntes/Gutes im Herzen bewahren/als Geschenk der/Begegnung.“

Die Worte entstammen dem Fotoband „Poesie der Kontraste“ von Gabriele Seitz aus Radebeul, den sie im Jahr 2008 herausbrachte. Die großformatigen Schwarz-Weiß-Aufnahmen der Fotokünstlerin erzählen mit großer Offenheit und Natürlichkeit die Geschichte einer ungewöhnlichen Liebe aus zwei Welten mit allen Reizen und Gegensätzen, aller Schönheit und Vielfalt.

Einen sowohl betörenden als auch spannenden Kontrast zu den Fotografien setzen die energiegeladenen, sanften und zornigen, figuren- und farbreichen Bilder der im Iran geborenen und inzwischen in der Dresdner Neustadt lebenden Künstlerin Nazanin Zandi. Die Porträtaufnahmen von Gabriele Seitz, die zwischen 2004 und 2012 entstanden, zeigen Nazanin Zandi noch zusammen mit ihrem Partner, dem Trommler Jack Panzo, der aus Angola stammt und wie Nazanin in Dresden eine neue Heimat fand. Als sie sich kennen lernen, zieht der Reiz des Gegensätzlichen beide zueinander.

Die Faszination am Anderssein und Fremden, die sich aber von Anfang an nicht süß und leicht schmelzend wie Milch und Schokolade, sondern eben auch sehr widersprüchlich anfühlt, spiegeln die Aufnahmen von Gabriele Seitz einfühlsam und ausdruckstark wider – mittels Blicken, Gesten und Körpersprache vor neutralem Hintergrund. Da treffen Szenen von geballter Stärke, Stolz und herausfordernder Männlichkeit in einem archaisch-rituellen Tanz mit hoch erhobener Trommel auf zart-verletzliche Momente vorsichtiger Annäherung und Berührung, in denen die Grenzen zwischen Schwarz und Weiß im Streicheln eines Gesichts, ineinander verflochtener Hände und im Anlehnen aneinander für einen Augenblick aufgehoben sind. Auf einem Foto hält der Trommler Jack behutsam eine weiße Taube mit lang gekräuselten Schwingen, die für die Aufnahmen leihweise der Schauspieler und Taubenzüchter Herbert Graedtke aus Radebeul überließ. Auf einem anderen Bild lacht der dunkelhäutige Musiker zusammen mit einem Neugeborenen – seiner Tochter Jasmin im Arm und deren Mutter Nazanin. Mittlerweile ist das erste Kind der beiden sieben Jahre alt und ihre zweite Tochter Joia zweieinhalb. Die jüngsten Aufnahmen der Familie entstanden im Januar dieses Jahres. Seit März lebt das Paar getrennt. Nazanin Zandi hat sich von Gabriele Seitz genau diese Fotografien für diese Ausstellung gewünscht. Nach der Trennung von ihrem Partner fällt es ihr jedoch nicht leicht, die Fotografien aus der Zeit ihres Zusammenseins in einer gemeinsamen Ausstellung zu sehen. Trotzdem sieht Nazanin Zandi den Inhalt der Fotografien als einen ihr wichtigen und besonderen Abschnitt ihres Lebens. Die schönen Momente der Beziehung bleiben in den Bildern bewahrt.

Während Gabriele Seitz mit ihren Fotografien insbesondere die positiven Kontraste dieser interkulturellen Liebesbeziehung hervorheben möchte, geht es Nazanin Zandi in ihren Bildern vor allem um den „Kultur-Aufprall“, wie sie es nennt, setzt sie sich auch mit den heftigen Seiten dieser Begegnung intensiv auseinander. Ihre Bilder sind grell, bunt und metapherreich. Nazanin Zandi liebt das Leben und mag es, wenn verschiedene Kulturen zusammenkommen, was Konflikte und Gefahren nicht ausschließt. In ihrer Malerei verarbeitet sie ihre eigenen Erfahrungen mit den spannungsvollen Unterschieden in den Kulturen dieser Welt. Nazanin Zandi benutzt dabei auch plakative Symbole, um Klischees in den Köpfen sowohl in- wie ausländischer Mitbewohner in diesen und anderen Ländern der Erde, die sich in gegenseitigem Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt entladen, sichtbar zu machen und zu hinterfragen. Sie zeigt das Gegenteil hinter der schönen Fassade vermeintlicher Harmonie. Die Bilder von Nazanin Zandi, die meisten entstanden seit Sommer letzten Jahres bis kurz vor der Ausstellungseröffnung, erzählen über Zwischenmenschliches, über Liebe, aber auch Verrat, Härte, Gleichgültigkeit und Mundtot machen in Beziehungen und über das Leben, das dennoch weiter geht mit aller Farbig- und Lebendigkeit und täglich neue Wege und Möglichkeiten eröffnet.

In die Bilderwelt von Nazanin Zandi fließen, neben eigenen Erlebnissen in oft märchenhaft surrealer Formensprache intuitiv und symbolreich dargestellt, auch persische Mythen und kalligraphische Schriftzeichen mit ihrem Sinngehalt aus ihrem Heimatland ein. So steht auf einem Bild die Weltkugel auf dem Horn eines Stieres auf der Kippe. Im mehrteiligen Bild „Narziss und Mundtot“ geht es um die Macht der Worte, die Schwächere wie Schläge treffen können bis zum Verstummen. Da ist der Kopf einer Frau in einem Netz gefangen, das als Sprechblase aus dem Mund eines Mannes kommt, den kurz darauf selbst ein Pflaster mundtot macht, während hinter ihm eine dunkelhäutige schwangere Frau mit einer Leine um den Hals gefesselt dasteht. Da zeigt die Künstlerin in warmen Farbtönen ein Familienbild mit dem Titel „Drei Generationen – Hinter mir Tod – Vor mir Leben“, auf dem ihre Mutter verschleiert, ihr in der Erinnerung noch lebendiger Großvater und ihre schlafende Tochter Jasmin zu sehen sind. Die Bilderfolge „Innerer Wandel“ stammt aus einer Phase, die ihr viel Kraft abverlangte und kaum Zeit zum Malen und für ihre Familie ließ, in der Nazanin Zandi ihre sterbenskranke Mutter pflegte und ihr zweites Kind bekam. Die drei Leinwände durchzieht eine rote wogende Linie wie ein Lebensfaden, der all diese Ereignisse verbindet durch Zeiten der Schwere, Leere, die Sehnsucht nach der Leichtigkeit der Kindheit und Selbstbesinnung hindurch bis zu wiedergefundener Ruhe und Entspanntheit. Dies spiegelt sich in einem Selbstporträt der Künstlerin in lichtvollen Farben und strahlendem Türkis, das Ohr halb unterm Wasser lauschend dem Rauschen. Im Stil erinnert es an ein Fresco aus der Zeit italienischer Renaissancemalerei. Mit solchen Werken ist sie in Italien großgeworden und diese Malweise komme manchmal noch durch, sagt Nazanin Zandi schmunzelnd. Im Iran geboren, reiste sie mit zweieinhalb Jahren mit ihrer Mutter nach Italien aus. Sie zeichnet seit ihrer Kindheit, studierte in Paris Architektur und kam über ein französisch-deutsches Austauschprogramm im Jahr 1994 nach Dresden. Seither lebt und arbeitet Nazanin Zandi hier als freischaffende Künstlerin mit eigenem Grafikbüro und Ladenatelier namens „Zandigrafix“ in der Dresdner Neustadt. Sie ist in ihrer Malweise sehr frei und offen für neue Ausdrucksweisen. Mal mehr erzählerisch, mal abstrakter fließen in ihren Arbeiten streng geometrische und weich fließende Formen aus der Mensch- und Naturwelt zusammen. Da öffnen und schließen sich Gesichter wie Fenster- und Türöffnungen nach innen und außen, berühren sich und mischen sich weibliche und männliche Konturen. Für ihre Bilder verwendet Nazanin Zandi Eitemperafarben auf kleineren und großen Leinwänden, farbige Kreide und gestaltet Aquarelle auf Papier und neuerdings auch auf Holz. Sie nimmt dazu Holzplatten vom Baumarkt, die sie anfangs mit Buntstiften und inzwischen mit Aquarellfarben bemalt, wo die Linien und Farben ganz von alleine zerfließen auf der strukturreichen Holzmaserung samt Astlöchern, aus denen neue formreiche Wesen erwachsen. Das kreisende Zeichen erinnert Nazanin Zandi zudem daran, auf ihr „Bauchgefühl“ zu hören, so ein Bildtitel ihrer Holz-Aquarelle, auch wenn der Wolf neben der Frau im Bild sie davon abbringen will, auf ihre innere Stimme zu hören.

Seit dem gemeinsamen Fotoprojekt verbindet Nazanin Zandi und Gabriele Seitz eine herzliche Freundschaft und Interesse am Leben und der persönlichen Entwicklung des anderen.

Seit 1997 widmet sich Gabriele Seitz, die vorher Wirtschaft- und Sozialpädagogik studierte und auch ein Diplom in Religionspädagogik hat, vor allem der Porträtfotografie. Sie begleitet die alljährlichen Interkulturellen Tage in Dresden mit der Kamera, fotografiert Menschen aus anderen Kulturen, ebenso ältere Menschen im Pflegeheim, einheimische und fremdländische Landschaften und Bäume. Mit ihren Fotografien, das ist ihr eine Herzensangelegenheit, möchte Gabriele Seitz die Schönheit, die gerade auch in der Verschiedenartigkeit der Menschen liegt, zeigen, aber auch Menschen, die am Rand leben, in den Blickpunkt rücken, um in offener , unbefangener und freundlicher Weise den immer noch verbreiteten, versteckten oder offenkundigen Vorurteilen, Ignoranz und fremdenfeindlichen Tendenzen in unserer Gesellschaft zu begegnen, Neugier und Mitgefühl für Menschen aus anderen Teilen der Erde zu wecken.

Letztes Jahr fand die erste gemeinsame Ausstellung der Fotografien von Gabriele Seitz und Malerei von Nazanin Zandi im Qualitas Forum in Florenz mit großem Erfolg statt. Nun zeigen sie erstmals zusammen in sächsischen Gefilden im Barockgarten Großsedlitz ihre farb- und lebensfrohen Bilder bis Ende Oktober.

Ich wünsche Ihnen nun anregende, poesie- und kontrastreiche Begegnungen in dieser Ausstellung.

Bleiben mir noch die magischen vier Worte: Die Ausstellung ist eröffnet.

Lilli Vostry

Ansprache im Barockgarten Großsedlitz
(geschrieben am 27.3.2012)